Bild 1: Langschwellen in der Uferböschung.
Zwischen Thal und Ruhla
Als Zufahrt zum Bauhof der Stadt Ruhla führt bei Kilometer 6,1 (Wegpunkt
"Ruhla - Bauhof", Koordinaten
N 50° 54.663 E 10° 22.960) eine Brücke über den Erbstrom. Von
der Brücke aus kann man flussabwärts die umfangreiche Verbauung von
Langschwellen in der steilen Uferböschung sehen. Eine
Walzzeichen-Jahreszahl ist nicht mehr zu erkennen, aber ca. hundert
Jahre dürften sie hier schon dem Wasser ausgesetzt sein.
Zwischen dem Haltepunkt Heiligenstein und dem Bahnhof Ruhla gab es kurz
hintereinander drei Gleisanschlüsse für ortsansässige Firmen:
- bei Kilometer 6,58 (Wegpunkt "Gleisanschluss R1", N 50° 54.532 E 010° 22.646) für
die Uhren- und Maschinenfabrik Ruhla (Gebrüder Thiel), in späteren
Jahren soll sich hier eine Schrottsammelstelle befunden haben,
- bei Kilometer 6,67 (Wegpunkt "Gleisanschluss R2", N 50° 54.502 E 010° 22.600)
anfangs für das Gaswerk Ruhla, später für einen Kohlehandel, der heute
noch existiert,
- und bei Kilometer 6,71 (Wegpunkt "Gleisanschluss R3", N 50° 54.450 E 010° 22.527)
anfangs für eine Firma Frenzel (ein Säurehandel), später gehörte das
Gelände auch zur Uhren- und Maschinenfabrik Ruhla.
Die Flächen werden weiterhin für Gewerbeansiedlungen genutzt. Von den
Anschlüssen sind immerhin noch die zurückspringenden Zäune bzw.
Grundstücksgrenzen erkennbar.
Bild 2: Betonsockel.
Am Wegpunkt "Betonsockel" (Koordinaten
N 50° 54.558 E 010° 22.680) kann man im
Winter und Frühling oben an der südlichen Wegböschung zwei alte
Betonsockel sehen. Auf dem linken liegt noch ein verrottender
Holzauflagebalken. Auf diesen und weiteren Fundamenten ruhte ab ca. 1950
eine Dachkonstruktion über dem Ladebereich des Gleisanschlusses der
Uhren- und Maschinenfabrik Ruhla.
Bild 3: Empfangsgebäude und Bahnsteig
Der Bahnhof Ruhla
(Wegpunkt "Bahnhof Ruhla", Koordinaten
N 50° 54.233 E 010° 22.211)
Endstation der Rühler Bimmel war der Kopfbahnhof Ruhla. Er lag am
nördlichen Ende und somit unterhalb der Stadt zwischen der
Industrieansiedlung des damaligen Metall- und Uhrenwerkes Thiel und den
Wohnhäusern an der Alexandrastraße - heute "Am Wasserfall". Diese Gegend
wurde auch Bahnhofvorstadt genannt.
Alte Karten des Stadtarchivs Ruhla verraten, dass der sich hier früher
dahinschlängelnde Erbstrom bei der Erschließung auf die Südostseite der
Bahnhofsfläche verlegt und begradigt wurde. 1911 bis 1913 erfolgte der
Ausbau des Bahnhofs mit neuem Lokomotivschuppen, Kohleschuppen,
Bahnsteigverlängerung und (vermutlich) der Vergrößerung des
Empfangsgebäudes. Der Fluss wurde dabei noch einmal verschoben und in
eine 2,50 Meter hohe Betonrinne gezwängt. Dass diese nicht ausreichte,
zeigen die zahlreichen Überschwemmungen des Bahnhofsgeländes. Heute ist
der Erbstrom in diesem Abschnitt komplett kanalisiert.
Bild 4: Die steile Zufahrt von unten gesehen.
Links im Bild der Lokschuppen.
Bild 5: Ausfahrt aus dem Bahnhof.
Das Gebäude beherbergte die zwei Wartesäle für die II. und III. Klasse,
eine Gastronomie, eine "Kammer für den Restaurateur im Obergeschoss"
(alte Bezeichnung für den Wirt) und die Dienstzimmer für das
Bahnpersonal. Es war das größte und mit reichlich Schnitzwerk an den
Balkenköpfen und Sparren versehene Bahnhofsgebäude der Rühler Bimmel.
Übrigens: eine I. Klasse gab es auf der Strecke nicht, zeitweilig gab es aber Wagen der IV. Klasse.
Bild 6: Kurz vor dem Abriss.
Bild 7: Von der Straßenseite aus.
Die obenstehenden Aufnahmen zeigen das Ruhlaer Bahnhofsgebäude kurz vor
seinem Abriss im November 1997. Auf dem ersten Foto ist im Hintergrund
die Tankstelle (gelb, heute grün) zu erkennen.
Das Gelände wurde bis dahin als Busbahnhof genutzt. Das Gebäude war
allerdings schon sehr baufällig und nicht mehr zugänglich. Heute
befindet sich eine Firma für Elektroanlagenbau an dieser Stelle.
Gleisplan
Zum Vergrößern anklicken!
Streckenerweiterungen
Laut Archivdokumenten wurde 1906 ein Entwurf bzw. Antrag für einen
Gleisanschluss der oberhalb des Bahnhofes gelegenen Uhren- und
Maschinenfabrik Gebrüder Thiel eingereicht, der eine Weiterführung der
Gleise bis auf das Fabrikgelände beabsichtigte. Dieser wurde aber wieder
ohne Angabe von Gründen zurückgezogen.
Auch gab es immer wieder Phantasien oder wenig konkrete Pläne, die
Strecke bis nach Bad Liebenstein weiter zu führen, oder an eine
ebenfalls nur ausgedachte Verbindung von Friedrichroda über Tabarz und
Winterstein in das südthüringer Gebiet führende Strecke anzuschließen.
Man befand sich ja im Eisenbahnzeitalter - heute würde man sagen "im
Eisenbahn-Hype". Wirtschaftliche Aspekte, geografische Gegebenheiten
(Steigungen, Tunnel?) und nicht zuletzt die beiden Weltkriege ließen
solche Ideen wieder platzen.
Die Bachsteinsche Eisenbahnverwaltung hatte im ersten Weltkrieg nach
ihrer Darstellung nicht einmal genug Personal und Material, um einen
wegen häufigen Diebstählen geforderten Zaun um das Bahnhofsgelände zu
bauen oder einen Zufahrtsweg zu befestigen. [Ruhla]
Kriegsgeschichte
"Da Ruhla aus der Luft betrachtet etwas versteckt im Tal eingeengt liegt
und damals über einen Kopfbahnhof verfügte, war der Salonwagen von
Compiégne, der Unterzeichnungsort der Waffenstillstände zwischen
Deutschland und Frankreich, von Ende 1944 bis März 1945 in Ruhla
versteckt und ständig bewacht." [Wikipedia]
Wer mehr über diesen Wagon und seine Geschichte erfahren möchte, dem sei das folgende Buch empfohlen: "Geheime Fahrt ins Vierte Reich?: Von Hitler erbeutet - in Thüringen zerstört"
von Crawinkel Förderverein Alte Mühle e.V. (Herausgeber), Dankmar Leffler (Autor), Klaus-Peter Schambach (Autor),
Heinrich-Jung-Vlgsges.; Auflage: 1., Aufl. (15. März 2012), ISBN-13: 978-3943552027
Gitterweiche
Auf dem Gelände des Bahnhofes Ruhla gab bis 1956 es noch ein Kuriosum,
dass mit dem starken Gefälle der Bahnstrecke gleich im Anschluss an den
Bahnhof zusammen hing und nur auf wenigen anderen Nebenstrecken in
Deutschland existierte: eine sogenannte Gitterweiche. Damit keine
"entlaufenen" Wagen die Steilstrecke runter rollten, gab es eine
Schutzweiche, die in der Normalstellung immer auf ein ebenes Gleis mit
Prellbock (und/oder Sandbett) führte. Diese hier in Ruhla ließ sich erst
für die reguläre Ausfahrt des Zuges umstellen, wenn sich der
Weichensteller in eine Art Gitterkäfig einschloss. Und den konnte er
erst dann wieder verlassen, wenn er die Weiche wieder in die Grund- bzw.
Schutzstellung gebracht hatte. Ein einfacher und wirkungsvoller
Sicherheitsmechanismus, der auch noch zur Belustigung der Fahrgäste
diente.
Bild 8: Gitterweiche der Trusebahn
Bei der Suche nach einer Abbildung einer solchen Gitterweiche wurde ich
in einem Eisenbahnforum auf ein Foto in dem Buch "Die Trusebahn" von
[Dietsch] hingewiesen. Am Bahnhof Herges-Vogtei gab es ebenfalls eine
Schutz- bzw. Gitterweiche. Wie die Abbildung zeigt, handelt es sich eher
um einen kleinen Bretterverschlag mit einer Eisengittertür, der über
dem Weichenstellhebel stand, und nicht, wie häufig angenommen, um einen
offenen Gitterkäfig.
Bild 9: Gitterweiche in Ruhla
Mit der Vorstellung von seinem ungefähren Aussehen konnte ich das
Ruhlaer Gitterweichenhäuschen auf einem alten Foto in [Rockstuhl]
ausfindig machen. Allerdings darf man sich nicht durch die Perspektive
der Aufnahme täuschen lassen. Der Gepäckwagen steht auf einem erhöhten
Abstellgleis. Deshalb wirkt das Häuschen an der nach unten führenden
Bahnhofsausfahrt noch kleiner, als es ohnehin schon war.
Textquellen
[Rockstuhl] Rockstuhl, Harald: Die Geschichte der Ruhlaer Eisenbahn,
"Rühler Bimmel" 1880 - 1967; Verlag Rockstuhl, Bad Langensalza, 1997,
ISBN 3-929000-62-8
[Ruhla] Stadtarchiv, Stadtverwaltung Ruhla, Carl-Gareis-Straße 16, 99842 Ruhla
[Dietsch] Dietsch, Steffen: Die Trusebahn, Von der Feldbahn zur
schmalspurigen Kleinbahn; in EK-Reihe Regionale Verkehrsgeschichte: Band
10; EK-Verlag, Freiburg, 1996; ISBN 3-88255-421-5
[Wikipedia] Wikipedia, Ruhla, Geschichte, URL http://de.wikipedia.org/wiki/Ruhla, abgerufen am 30.10.2012
Bildquellen
Bild 1, 2: Andre Geyer, Wutha-Farnroda
Bild 3, 4: Günter Meyer, Zwickau
Bild 5: Joachim Wollmert, Seebach
Bild 6, 7: Thomas Kirchhof, Ruhla
Bild 8: Klaus Kieper, Ahrensfelde
Bild 9: Sammlung Matthias Krettek, Ruhla
Mit freundlicher Genehmigung der Urheber bzw. Eigentümer.